Kritzendorfer Ribisel, Weingartenpfirsich und Erdbeeren
Der Weingarten, eines der ältesten Elemente der europäischen Kulturlandschaft, prägt seit Jahrhunderten in den klimatisch begünstigten Teilen des Wienerwaldes (Themenlinie und Nordabdachung) die Landschaft. Das Bild eines Weingartens hat sich über die Zeit jedoch radikal gewandelt.
Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs der Wein „im Durcheinander“. Die Rebstöcke wurden nicht in Zeilen gepflanzt und auch nicht angebunden. Die Vermehrung durch Ableger („Vergruben“) der vorhandenen Rebstöcke war die Regel. Geerntet wurde ein „gemischter Satz“: ertragsstarke Reben wuchsen neben bukettreichen, die Weine waren jeweils eine individuelle Sortenmischung. Mitten „im Durcheinander“ der Reben gediehen Obst, Gemüse und Gewürzpflanzen wie Pfirsich, Ribisel, Knoblauch, Kren und verschiedene wilde Erdbeerarten.... der Weingarten war tatsächlich ein vielfältiger Garten.
Untrennbar mit dem Weingarten verbunden ist der Ort der Weinbereitung – der Weinkeller. Er wird mehrmals im Jahr zum Heurigen – ein Ort an dem Wein und selbstbereitete Speisen angeboten werden. Auch hier finden wir typische Kulturpflanzen wie Nussbäume, Kirschen etc als Obst- und Schattenspender. Eine alte Kirschensorten aus dem Wienerwald ist die Kritzendorfer Einsiedekirsche, die im Bezirk Klosterneuburg noch an wenigen Standorten anzutreffen ist.
In Paffstätten (Bezirk Baden) führte uns Herr Kernbichler Senior durch die Weingärten und erzählte über die Weingartenpfirsiche: „Pfirsiche wachsen schon seit mindestens 100 Jahren bei uns im Weingarten, sie gehen einfach auf und wachsen so schnell wie der Baier (= ein lästiges Unkraut)“ Die Besonderheit des Weingartenpfirsichs liegt in der Vermehrung über Samen, nicht durch Veredelung. Dadurch entstand eine große genetische Vielfalt von Pfirsichen, die an lokale Klimabedingungen angepasst sind. „Den“ Weingartenpfirsich gibt es demnach nicht, doch lassen sich einige Gemeinsamkeiten festmachen: sie reifen relativ spät, sind kleinfrüchtig, die Schale ist nie völlig glatt, der Geschmack meist würzig und leicht herb.
Weingartenpfirsiche sind eine der wenigen Obstarten die nicht veredelt sonder über den Samen vermehrt werden. Die Samenvermehrung von Pfirsichen ist eine einfache Sache. Pfirsichsamen haben von der Natur eine dicke Schale (man nennt sie ja auch Steine) und noch dazu eine Keimhemmung mitbekommen. Das führt dazu, dass sie zwei oder mehrere Winter im Erdboden überliegen können und dann erst zu wachsen beginnen. Wir müssen die Samen durch einen einfachen Trick - dem Stratifizieren - glauben lassen, es sei bereits früher Zeit für sie zu keimen. Die Pfirsichkerne am besten gleich nach dem Verzehr der Früchte etwas waschen und abbürsten, in reinen Sand legen, schwach angießen und über den Winter bis etwa Anfang April im Keller bei tiefen Temperaturen aber frostfrei lagern. Die Lagertemperatur sollte über mehrere Tage etwa 5° C betragen. Haben sie keinen geeigneten Erdkeller, können die Pfirsichkerne auch für ein 3 Wochen in den Kühlschrank wandern. Im April sollten die Steinkerne schon angeschwollen sein. Dann ist es an der Zeit, sie in eine Freilandbeet zu stecken. Spätfröste schaden den Keimlingen nicht. Die Pfirsiche entwickeln sich im ersten Jahr zu 50cm großen Bäumen und könne im Herbst darauf verpflanzt werden.
Im Norden des Wienerwaldes, im Bezirk Klosterneuburg, richtete die Reblaus Ende des 19. Jh. verheerende Schäden im Weinbau an. Die Weinbauern waren gezwungen, neue Erwerbsquellen zu erschließen und pflanzten anstelle der Reben eine in der Region verbreitete Ribiselsorte in die Weingärten. Die Kritzendorfer Ribisel machte sich alsbald auch in Wien einen Namen und Ribiselheurige lockten Ausflügler in den Wienerwald.