Sternparadeiser*

Sternparadeiser HP Titel 2

Kulturpflanzenvielfalt ist etwas Lebendiges, sie lässt sich weder in Stein meißeln noch in Tiefkühltruhen einsperren. Sie kennt weder einen klaren Anfang noch ein klares Ende und schon gar keinen Stillstand. In diesem Sinne möchten auch wir einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Tomatenvielfalt leisten. Mit dem Mitmach-Projekt Sternparadeiser* wagen wir uns auf neue, unbekannte Wege - und wir laden alle Hausgärtnerinnen und Paradeiserliebhaber herzlich ein uns dabei zu begleiten!

Sternparadeiser Kreuzen

DAS PROJEKT

Mittlerweile gibt es einige "schwarze" Paradeiser. Leider weisen aber die meisten Vertreter dieser Sortenfamilie noch gewisse Mängel auf. Vor allem was den Geschmack betrifft konnte uns bisher keine der schwarzen Tomaten so richtig überzeugen. Auch bei der Farbvielfalt ist das Potential noch wenig ausgeschöpft, bisher dominiert als Grundfarbe unter dem violett-schwarzen Überzug nach wie vor klassisches Rot. Nur sehr vereinzelt sind gelb-schwarze und rosa-schwarze Sorten verfügbar.

Vor diesem Hintergrund machten wir 2015 erste Kreuzungen. Schwarze Cocktailparadeiser wurden mit bewährten Sorten gekreuzt, mit dem Ziel die dekorative Farbschattierung des einen Elternteils mit der guten Fruchtqualität des anderen zu kombinieren. In der Nachkommenschaft begeben wir uns nun gemeinsam mit interessierten Hausgärtnern und Tomatenproduzentinnen auf die Suche nach den allerbesten unter den Sternparadeisern. Damit möchten wir experimentierfreudige GärtnerInnen dazu einladen, selbst züchterisch tätig zu werden und ihre eigene Haus- und Hofsorten zu entwickeln.

 
 

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Eine kleine Paradeisergeschichte

erzählt von Frau Karoline


Früher war alles einfacher!
Als Columbus im 15. Jahrhundert erste Tomaten in die alte Welt brachte, war die alte wie auch die neue Welt noch in Ordnung. Paradeiser waren entweder ROT... oder GELB. Keine unentschlossenen Zwischentöne, keine Streifen, keine Punkte. Kaum Vielfalt, einfach nur ROT oder GELB, wie Paradeiser halt so sind.

Mit der Zeit fanden dann immer mehr Gärtnerinnen Gefallen an der exotischen Pflanze. Bis in die entlegensten Regionen verbreitete sich der Paradeiser. Geduldig passte er sich immer wieder an neue Umweltbedingungen an. Und die Menschen wählten stets jene Tomaten aus, die ihren Vorlieben am besten entsprachen. So entstand rasch eine Vielzahl an lokalen Sorten. Große und Kleine. Dicke und Dünne. Aber immerhin waren sie, nach wie vor ROT oder GELB, wie Paradeiser halt so sind. [Zufriedenes Nicken]

Doch dann geschah etwas, das sich die kühnste Gärtnerin nicht gewagt hätte auszumalen! Plötzlich war sie da, die rosa Tomate! ROSA! Tss! Was soll denn das für eine Farbe sein? Ja, ja, vielleicht für Pfirsichblüten angebracht oder für meine Pelargonien am Balkon, aber doch nicht für einen Paradeiser! Doch wie das Schicksal so spielt, geriet die rosa Tomate einem törichten Gärtner in die Hände, der nicht wusste welche Farbe eine Tomate halt so hat. Zu allem Überdruss fand der Amateur das dann auch noch lustig. So lustig, dass er Saatgut erntete und an seine Freunde weitergab, und die... ja die tauschten es wiederum mit ihren Nachbarinnen, und so weiter. Es konnte also leider nicht verhindert werden, dass sich die falsche Tomatenfarbe rasch etablierte.

Doch damit nicht genug! Es dauert nicht lange und schon wieder erfreuten sich unkundige Gärtnerinnen an einer neuen Farbe, wobei WEISS ja nicht einmal eine richtige Farbe ist! [Abfällige Handbewegung]

Und dann kamen auch noch die BRAUNEN und VIOLETTEN, aus Russland und von den Philippinen, sie waren alle einfach nicht aufzuhalten!

Schrecklich! Dann auch noch ORANGE! [Schlägt auf Tisch]

Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, tauchten dann auch noch grüne Tomaten auf. Reif wie unreif – einfach immer nur GRÜN!

Aber getan hat niemand was, alle haben sie nur zugesehen [Vehementes Kopfschütteln]. Also naja, ich meine, gut ein paar Konzerne haben schon versucht die Vielfalt wenigstens zu unterdrücken. Aber das war halt nicht genug. Die Bevölkerung hat tatenlos zugesehen, ja teilweise sogar mit Freude die falschen Farben unter die Leute gebracht. Wundern darf man sich nicht! Ich frag mich ja nur was ihnen als nächstes einfällt... vielleicht noch schwarze Tomaten mit bunte Sternen [Lautes Lachen]

Also wie... was... echt jetzt?

 
 

Die Farbe Schwarz > weiterlesen

 
 

Vor einigen Jahren tauchten erstmals „richtig schwarze“ Tomaten im Anbau auf. Verantwortlich dafür sind Anthocyane in der Schale, die den Früchten eine interessante Färbung verleihen, die eher an dunkle Melanzani erinnert als an Paradeiser. Diese besondere Eigenschaft wurde ursprünglich in Wildtomaten (Solanum cheesmaniae, Solanum chilense) entdeckt und von ForscherInnen mittels verschiedener interspezifischer Kreuzungen in Kulturtomaten (Solanum lycopersicum) überführt.

In einem Fall dürfte dabei die Methode "Embryo Rescue" zur Anwendung gekommen sein. Bei dieser "Embryorettung" wird ein Embryo nach einer Kreuzung im Labor auf künstlichem Nährmedium zu einer Pflanze regeneriert. Hierbei handelt es sich um eine in der Züchtung häufig angewendete Labormethode, die in der Tat künstliche Unterstützung im Reproduktionsprozess bedeutet, aber ganz klar von "gentechnischen" Methoden abzugrenzen ist, bei denen ein Eingriff ins Genom der Pflanze stattfindet - eine ausführlich Darstellung gängiger Methoden der Pflanzenzüchtung und ihrer Vereinbarkeit mit den Prinzipien des Biolandbaus kann von der Homepage vom FiBL Schweiz heruntergeladen werden.

Später wurden diese Anthocyan-Linien von der Arbeitsgruppe um Jim Myers (Oregon State University) mittels klassischer Kreuzungszüchtung kombiniert (weder Gentechnik noch Embryorettung). Als erste Sorte aus diesem Zuchtprogramm wurde 2012 die Salattomatensorte ‘Indigo Rose‘ verfügbar gemacht.

 

Die neue Farbe weckte rasch das Interesse zahlreicher Paradeisergärtner und Züchterinnen rund um den Globus. So entstanden durch zufällige und absichtliche Kreuzungen mit anschließender Selektion in kürzester Zeit weitere Anthocyan-Sorten. Leider weisen aber die meisten Vertreter dieser Anthocyan-Familie noch gewisse Mängel auf. Vor allem was den Geschmack betrifft konnte uns bisher keine der schwarzen Tomaten wirklich überzeugen. Auch bei der Farbvielfalt ist das Potential noch wenig ausgeschöpft, bisher dominiert als Grundfarbe unter dem violett-schwarzen Überzug nach wie vor klassisches Rot. Nur sehr vereinzelt sind gelb-schwarze und rosa-schwarze Sorten verfügbar.

 

ACHTUNG: VERWECHSLUNGSGEFAHR !

Die hier beschriebenen und fürs Sternparadeiser*-Projekt verwendeten Anthocyan-Gene und ihre Züchtungsgeschichte dürfen keinesfalls mit den Arbeiten von anderen Wissenschaftler*innen verwechselt werden, die Anfang dieses Jahrhunderts mittels gentechnischer Methoden Gene aus Löwenmaul (Antirrhinum majus) in Tomate übertrugen - Details hier. Im Unterschied zu den Sternparadeisern ist bei diesen Tomaten nicht nur die Schale, sondern auch das Fruchtfleisch vollständig violett gefärbt. Bislang blieb dieses Konstrukt jedoch ein rein wissenschaftliches Experiment hinter verschlossenen Labortüren. Aufgrund der gesetzlichen Lage, der ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber gentechnischen Methoden und der zuvor beschriebenen gentechnikfreien Alternative, erfuhr die Löwenmaul-Tomate bis heute keine relevante Verbreitung.

 

Warum eigentlich "Sternparadeiser"? > weiterlesen

 
 
Sternparadeiser breit stern

Die schwarze Färbung entsteht durch Anreicherung von Anthocyanen in der Schale der Tomate. Licht und Kälte verstärken diesen Prozess. Dort wo die Kelchblätter der Tomate das Licht abhalten ist die Anreicherung sehr gering und die Grundfarbe des Paradeisers kommt zum Vorschein. Dadurch entsteht ein dekorativer Stern, der je nach Stellung der Kelchblätter unterschiedlich deutlich ausgeprägt ist.

 
 
 
 
 
 
 

Was bisher geschah... die Sternparadeiser*-Chronologie

Sternparadeiser HP 0

2015 - Jedes Züchtungsprojekt beginnt mit der Auswahl der Eltern und dem Durchführen von Kreuzungen. Dafür haben wir auf Mutterseite besonders bewährte Cocktailparadeiser ausgewählt und diese mit verschiedenen Anthocyan-Vätern gekreuzt. Neben Geschmack und Farbvielfalt stellte eine gute Eignung für den Hausgarten und den biologischen Anbau das wichtigste Auswahlkriterium dar.

 

Sternparadeiser HP F1d

2016 – Die erste Nachkommengeneration nach der Kreuzung (auch „F1“ genannt) hat jeweils die Hälfte der Gene vom Vater und die andere Hälfte von der Mutter mitbekommen. Trotz der Fülle an durchgeführten Kreuzungen war die F1 in unserem Fall wie erwartet ziemlich langweilig: überwiegend rot mit leicht schwarzer Schulter, nur vereinzelt Individuen mit rosa Grundfarbe. Das liegt daran, dass die rote Farbe dominant vererbt wird und somit alle übrigen Farben überdeckt. Die Veranlagung für Anthocyanfärbung von väterlicher Seite war zwar an einem leicht schwarzen Überzug erkennbar, für eine kräftig dunkle Färbung hat's aber nicht gereicht.

 

Sternparadeiser HP F22

2017 – Spannend wurde es eben erst jetzt, in der zweiten Nachkommengeneration (F2). Gemeinsm mit mehr als 400 Hausgärtnerinnen und Tomatenliebhabern machten wir uns nun auf die Suche nach schwarzen Paradeisern in den Nachkommenschaften. In dieser Generation mischen sich die Gene bunt durch und es treten viele verschiedene Farbvarianten auf: rot, gelb, braun, orange, grün, teilweise auch mit einer leichten schwarzen Schulter bis hin zu kräftig schwarz gefärbten Individuen, ja auch gestreifte Paradeiser waren dabei. Von den vielversprechendsten wurde Saatgut geerntet, um daraus in den kommenden Jahren stabile samenfeste Sorten zu entwickeln.

Als Abschluss der Saison fand am 10. September 2017 im ARCHE NOAH Schaugarten eine Sternparadeiser-Ausstellung mit begleitenden Workshops statt.

 

Sternparadeiser F3

2018 - In diesem Jahr wuchsen die Nachkommen bereits in dritter Generation. Neben den beteiligten Hausgärtnern, die dezentral ihre eigenen Sternparadeiser-Zuchtlinien wieder anbauten, beteiligte sich diesmal auch ein Biobetrieb der Arbeitsgruppe Bauernparadeiser an gezielten Sichtungs- und Selektionsarbeiten. Wie bereits 2017 wurde nur von den vielversprechendsten Pflanzen Saatgut geerntet. Wiederholt man diesen Selektionsprozess über einige Jahre, kann man beobachten, dass die Nachkommen immer einheitlicher werden, bis schließlich nach einiger Zeit eine neue samenfeste Haus- oder Hofsorte entstanden ist.

 

2019 - Heuer geht das Sternparadeiser*-Projekt in die nächste Runde! Erneut laden wir alle experimentierfreudigen GärtnerInnen ein, sich mit uns auf die Suche nach den besten Sternparadeiser*-Zuchtlinien zu begeben.

 
 
 
 

Kontakt

MA Philipp Lammer
Sortenentwicklung & Projekte
T: +43 (0)670 359 0253