Die Verwandtschaft der Gruppe der Pflaumen ist sehr kompliziert und bis heute nicht ganz geklärt. Die Schlehe (Prunus spinosa) und die Kirschpflaume (Prunus cerasifera) dürften die Urahnen der heutigen Pflaumenverwandten sein. Die beiden Arten sind vor langer Zeit vermutlich in Mittelasien aufeinandergetroffen und haben sich gekreuzt. Damit wurde der Stammbaum der Kulturpflaume (Prunus domestica) begründet.
Von Mittelasien aus verbreiten sich die Nachkommen dieser zufälligen Kreuzung in alle Himmelsrichtungen und begannen sich durch bäuerliche Nutzung und Selektion zu differenzieren. Dabei dürften sich auch andere Prunus-Arten, etwa die an der östlichen Mittelmeerküste vorkommen de Prunus cocomilia eingekreuzt haben. Durch ständige Rückkreuzungen der einzelnen Typen entstand eine große Vielfalt an Pflaumen im weiteren Sinn.
Heute wird die Pflaumenverwandtschaft in zwei Gruppen eingeteilt: Die Kultursorten (Edelpflaumen, Zwetschken, Mirabellen, Ringlotten) und die Primitivpflaumen. Die Bezeichnung „Primitiv“ ist im Sinne von ursprünglich zu verstehen und nicht als Wertung. Ursprünglich bedeutet, dass diese Arten zum Teil typische Wildobstmerkmale besitzen. Das sind z.B. fehlende Steinlösigkeit, Ausläuferbildung (Wurzelbrut), weiche druckempfindliche Früchten. Andere Merkmale, wie ein hoher Zuckergehalt und wenig Bitterstoffe, stellen Primitivpflaumen eindeutig in die Nähe der Kultursorten.
Eine sehr ursprüngliche Primitivpflaumengruppe sind die Kriecherl (Prunus domestica subsp. Insititia). Das Zentrum der Kriecherlentwicklung lag in Mitteleuropa. Kernfunde belegen, dass schon frühe neolithische Siedler (vor 5.000 Jahren) dieses Steinobst genossen haben. Kriecherl entstammen der bäuerlichen Züchtung. Kriterien wie zuckerreiche Früchte und vitale Pflanzen spielten in der Selektion eine Rolle, Haltbarkeit im Verkaufsregal und Transportfähigkeit waren ohne Bedeutung. Die Bezeichnung Kriecherl könnte auf eine Wuchs - Eigenschaft hinweisen: die Pflanzen bilden Wurzelausläufer und verbreiten sich „kriechend“.
Ein typisches Kriecherl ist zuckerreich, aromatisch und erinnert im Geschmack an eine Ringlotte. Die meisten Formen sind bläulich und bereift. Es gibt aber auch gelbe Typen wie etwa der Gelbe Spänling. In der Größe und Form sind sie variabel. Die lange Kulturgeschichte zeigt sich an der Formenvielfalt und auch an den reich vorhandenen Bezeichnungen: Pfludern, Zieberln, Spänling, Rosspauken, Weinkriecherl, Bummerl....
Gründe für diese Formenvielfalt unter den Primitivpflaumen sind die Bereitschaft der Pflaumenverwandten, sich untereinander zu kreuzen, die gute Keimfähigkeit der Samen und – der vermutlich entscheidende Punkt – diese Kreuzungen sind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit brauchbare, das heißt nutzbare Obstgehölze.
Oftmals wachsen Primitivpflaumen im Halbkulturbereich – an Wegrändern, Feldrainen, in Hecken oder auf der Gstetten. Diese sogenannten „Wildlinge“ werden dort geduldet, indem man sie bei Rodungsarbeiten schont, vielleicht auch mal gefördert, wenn abgestorbene Äste herausgeschnitten oder dichtstehende Konkurrenten entfernt werden.
Die Primitivpflaumen gehörten früher zu jedem Haus, sie wuchsen oft im Halbkulturbereich – an Wegrändern, Feldrainen, in Hecken oder auf der Gstetten. Sie lieferten im Sommer süße, köstliche Früchte, die sofort bei der Arbeit gegessen werden konnten oder für den Winter konserviert wurden. Jedes Dorf, wenn nicht jedes Haus, hatte sein Kriecherl.
Durch den generellen Kulturwandel und die fehlende Haltbarkeit und Transportfähigkeit verloren sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung. Viele Bäume wurden gerodet, andere blieben bewusst oder zufällig stehen. Durch die komplizierte Systematik und schwierige Bestimmung der einzelnen Typen erfolgte in Österreich auch praktisch keine systematische Sammlung dieses wertvollen Genmaterials.